Liebe Antifaschist*innen,
wir finden es super, dass es diese Veranstaltung gibt und an jene Tage 2018 in Chemnitz erinnert wird, an denen abermals die bundesweite Öffentlichkeit auf eine Stadt in Sachsen gerichtet war mit ihrer allätgliche rechte Gewalt, deren Strukturen und den Rassismus in diesem Land.
Unsere Solidarität gilt den Betroffenen der rechten Gewalt in Sachsen und den stabilen Antifaschist*innen in Chemnitz und überall, die sich nicht unterkriegen lassen. Menschen aus unserem Zusammenhang waren ab dem 26. August und auch noch nach dem “ Wir sind mehr“ – Konzert in Chemnitz gegen die Rechten Aufmärsche in der Stadt zugegen und haben die Entwicklungen in der Stadt weiter beobachtet, als die mediale Aufmerksamkeit schon abgeebbt war.
Seit vielen Jahren beteiligen wir uns an den antifaschistischen Protesten in Sachsen gegen den rechten Mob, egal wo er sich gerade wieder zusammenrottet. Anfang 2018 stellten wir uns den rassistischen Mob in Wurzen entgegen, der immer wieder gezielte Angriffe gegen Geflüchtete organisierte. Aus diesen Erfahrungen versuchten wir im April 2018 an die inhaltlichen Diskussionen anzuknüpfen die im Zuge von Pegida/Legida, Heidenau, Bautzen, Freital und die vielen weiteren Orte in Sachsen aufgekommen sind.
Wir schrieben den Beitrag “Gib mir irgendwas, das bleibt.” – Überlegungen und Reflexionen über die Notwendigkeit, Pogrome zu verhindern”. Wir würden es begrüßen wenn bei der Rückschau auf die Ereignisse 2018 in Chemnitz , auch an Debatten angeknüpft würde und diese fortgeführt werden. Wir sind und ziemlich sicher, dass es bis zum nächsten rechten großen Mob auf den Straßen in Sachsen wie 2018, nicht mehr weit ist. Da die Debatte aber schwerlich heute hier zu leisten ist, wollen wir auf einen Aspekt aus jenen Tagen 2018 in Chemnitz eingehen, der uns als Gruppe in Erinnerung geblieben ist.
Am 1. September kam es zum gemeinsamen rechten Aufmarsch mit der AfD, Pegida, Pro Chemnitz und vielen weiteren Strukturen, eigentlich alles extreme Rechte Personal was bundesweit zur Verfügung stand. Vieles davon wird heute sicherlich in unterschiedlichen Beiträgen thematisiert werden. Wir möchten jedoch daran erinnern, dass es an diesem Tag einen Polizeikessel gegeben hat in dem sich ungefähr 350 Antifaschist*innen befanden, der sich von 18-22 Uhr im Bereich des Roten Turms befunden hatte. Auf Landtagsanfragen von Juliane Nagel antworte das Innenministerium, dass dabei 121 Personalien aufgenommen wurden und die Grundlage der Verdacht auf Landfriedensbruch und angebliche Sachbeschädigung gewesen seien. Menschen aus dem Kessel berichtete danach von Polizeigewalt gegen sie, Angriffen durch Neonazis auf den Kessel.
Wir erlebten an diesem Tag bei allen möglichen Initiativen und Gruppen immer wieder, dass es abgestritten wurde, dass es diesen Kessel überhaupt gab. Alle Versuche bspw. die Abreise von “Leipzig nimmt Platz” zu stoppen und alle Hinweise, dass da noch hunderte Antifaschist*innen in der Maßnahme der Polizei sind, wurden abgeblockt. Als der Kessel gegen 22 Uhr spontan aufgelöst wurde standen Menschen zum Teil ohne ihre Bezugsgruppen oder den Strukturen da, die die An- und Abreise nach Chemnitz für diesen Tag organisiert und durchgeführt hatten.
Wir sind noch heute fassungslos darüber, wie der Kessel vom überwiegenden Teil der Antifaschist*innen ignoriert wurde und teilweise einfach abgereist wurde und damit jegliche Möglichkeit, Druck auf die Einsatzleitung der Polizei aus den Händen gegeben wurde. Während die gekesselten Antifaschist*innen nicht wussten wie lange sich die Maßnahme noch hinzieht und sie den unterschiedlichen Angriffen ausgesetzt waren, liefen immer noch parallel die Versammlungen der Rechten, die Parolen waren im Kessel und der Stadt noch gut zu hören und die Innenstadt voll mit Faschos, während sich Linke immer mehr zurück zogen oder bereits abgereist waren. Im Nachgang hieß es dann leider nicht “Das ist scheiße gelaufen, darf sich nicht wiederholen und wie können wir das zukünftig sicherstellen.” Sondern es wurde in Teilen immer noch geleugnet, dass es einen Kessel gegeben hatte, mit Abfahrtszeiten agrumentiert oder Abläufe umgedichtet.
Wir waren schockiert und haben einiges an diesem Tag über “Solidarität” untereinander lernen müssen und Vertrauen in Teile antifaschisischer Strukturen verloren.
Denken wir an Chemnitz 2018, dann denken wir nicht nur an die rechte Gewalt, den Mob, und an die Angst dieser Tage, sondern auch an die Enttäuschung die wir empfunden haben als hunderte Antifaschist*innen gekesselt waren. Neben der jahrelangen Repression gegen Antifaschist*innen in Sachsen, gerade in Leipzig, haben auch diese Erfahrungen in Chemnitz bei Antifaschist*innen spuren hinterlassen. Und einigen hier fallen sicherlich noch andere Momente ein, wenn sie sich gegen den Mob auf die Straße und für den Schutz von Betroffenen der rechten Gewalt gestellt haben.
Nocheinmal, unsere Solidarität gilt den Betroffenen der rechten und rassistischen Gewalt in Sachsen und überall, die jeden Tag damit Umgehen müssen und wir werden weiter unser möglichstes tun Betroffenen zur Seite zu stehen.
Aber wir erwarten von Antifaschist*innen, egal ob einzeln oder als Organisation, sich auch Fehler einzugestehen und zu reflektieren und darüber zu sprechen, denn weniger rassistische und rechte Mobilisierung werden es sicherlich in Sachsen nicht werden.